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Am 7. November sind die durch die 11. GWB-Novelle vorgesehenen Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft getreten.
Zentrale Bestandteile der Novelle sind vor allem drei Aspekte, d.h. die Erweiterung der Befugnisse des Bundeskartellamts um Abhilfemaßnahmen im Anschluss an eine Sektoruntersuchung, die Änderung der Voraussetzungen für die Vorteilsabschöpfung sowie die sehr praxisrelevante Anpassung der Verfahrensvorschriften zum Digital Markets Act (DMA).
Abhilfemaßnahmen nach Sektoruntersuchungen
Die Erweiterung der Befugnisse des Bundeskartellamts (BKartA) um Abhilfemaßnahmen im Anschluss an eine Sektoruntersuchung ist sehr kontrovers diskutiert worden, da das BKartA durch erweiterte Befugnisse die Möglichkeit erhält, auch ohne nachgewiesenen Rechtsverstoß gegen erhebliche und dauerhafte „Störungen des Wettbewerbs“ vorzugehen. Die Unbestimmtheit des Begriffs „Wettbewerbsstörung“ war stark kritisiert worden, was auch durch die im Gesetzt verankerten, nicht abschließenden Regelbeispiele, nicht vollends abgemildert werden konnte.
Vom Ablauf her bedarf es zunächst einer Sektoruntersuchung, die mit einem Abschlussbericht endet. Sodann kann das BKartA in einem zweiten Schritt eine Wettbewerbsstörung feststellen und in diesem Kontext können Verfügungen ggü. einem Unternehmen ergehen, sofern das Unternehmen durch ihr Verhalten und ihre Bedeutung für die Marktstruktur zur Störung des Wettbewerbs wesentlich beiträgt. Diese Änderung wurde vom Wirtschaftsausschuss ggü. dem Regierungsentwurf noch durchgesetzt und kann in der Praxis im Einzelfall in erster Linie kleinere Marktteilnehmer vor Abhilfemaßnahmen schützen. Die Anordnung von Abhilfemaßnahmen sind im dritten Schritt die Möglichkeit für das BKartA, um die Wettbewerbsstörung zu beseitigen oder zu verringern. Das BKartA erhält dadurch ein sehr starkes neues Instrument, um in Märkte einzugreifen.
Änderungen der Voraussetzungen für die Vorteilsabschöpfung
Die Novelle senkt die Voraussetzungen, die für die Anordnung einer Vorteilsabschöpfung erforderlich sind, ab. Hat ein Unternehmen durch den Verstoß gegen die GWB-Vorschriften einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, konnte die Kartellbehörde schon bislang anordnen, dass dieser Geldwert herausgegeben wird (§ 34 GWB). Sinn und Zweck dieser sog. Vorteilsabschöpfung ist es, dass die durch den Kartellrechtsverstoß erlangten wirtschaftlichen Vorteile nicht beim kartellrechtswidrig Handelnden verbleiben sollen.
Die Absenkung der Voraussetzungen für die Vorteilsabschöpfung wird durch eine doppelte Vermutung abgesenkt, in dem nach § 34 Abs. 4 GWB vermutet wird, dass bei einem schuldhaften Kartellrechtsverstoß das verstoßende Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat und dieser Vorteil mindestens 1 Prozent der Umsätze beträgt, die in Deutschland mit den Produkten oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß im Zusammenhang stehen, erzielt wurden. Eine Widerlegung der Vermutung ist in der Regel schwierig, da das Unternehmen nachweisen muss, dass bspw. mangels Kausalität keine Gewinne in entsprechender Höhe erzielt wurden.
Anpassung der Verfahrensvorschriften mit Blick auf den Digital Markets Act (DMA)
Der DMA ist 2022 in Kraft getreten und dessen Verpflichtungen gelten seit Mai 2023. Für die Anfang September von der Kommission benannten sog. Gatekeeper gelten ab Frühjahr 2024 die strengen Vorgaben und Verbote des DMA. Dem BKartA wird durch die 11. GWB-Novelle eine Ermittlungsbefugnis für bestimmte Verstöße durch bereits benannte Gatekeeper eingeräumt. Die Regelungen des DMA sind unmittelbar und direkt anwendbar und die Durchsetzung erfolgt allein durch die Europäische Kommission. Durch die Ermittlungsbefugnis soll die Europäische Kommission unterstützt werden und eine Abgrenzung von Verfahren unter dem DMA und Verfahren nach nationalem und europäischem Kartellrecht ermöglicht werden.
Eine wesentliche Änderung wurde zudem durch die Änderungen in §§ 33 ff. GWB erreicht, die die private Rechtsdurchsetzung der Verpflichtungen aus dem DMA stärken soll.
Einige Erleichterungen für kartellrechtliche Zivilklagen werden auch für den Bereich DMA für anwendbar erklärt. Wichtig ist dabei speziell die Bindungswirkung von DMA-Verstößen, welche von der Europäischen Kommission festgestellt wurden, für sog. follow-on Schadensersatzklagen vor deutschen Gerichten. Die Geltendmachung von Schadensersatz vor deutschen Gerichten wird dadurch erheblich erleichtert.
Fazit
Zusätzlich zu den 3 Säulen des Kartellrechts (Kartellverbot, Missbrauchsrecht und Fusionskontrolle) wird eine 4. Säule durch die verschärfte Sektoruntersuchung eingeführt. Spannend wird sein, in welchem Umfang das BKartA die neuen Befugnisse nutzen wird. Das Zusammenspiel DMA und zivilrechtliche Durchsetzbarkeit ist eine Thematik, die von hoher praktischer Relevanz sein wird, wenn Schadensersatzansprüche gegen sog. Gatekeeper in Rede stehen. Die GWB-Novelle ist somit insgesamt durchaus tiefgreifend. Das Kartellrecht bleibt auch künftig dynamisch. Das BMWK hat die Konsultation zur 12. GWB-Novelle mit einem Fokus u.a. auf Nachhaltigkeitskooperationen und stärkeren Verbraucherschutz bereits gestartet.
Ihr Ansprechpartner
Rechtsanwalt Dr. Nils Ellenrieder, LL.M. (Edinburgh)
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