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Insbesondere während des Weihnachtsgeschäfts sind schnelle Lieferungen (kurze Lieferzeitangaben) für eine Vielzahl von Onlinehändler ein entscheidendes Argument, um sich von der Konkurrenz abzuheben und möglichst viele Kunden für einen Kaufabschluss zu gewinnen. Dies rührt daher, dass sich viele Kunden eine möglichst rasche Zustellung der Pakete (möglichst innerhalb von 48 Stunden) wünschen. Doch die Realität in der Auslieferung durch die Paketzusteller sieht meist ganz anders aus.
Nachfolgend haben wir hier alle grundlegenden rechtlichen Bedingungen bezüglich Lieferzeitangaben für Onlinehändler zusammengefasst und auch aufgeführt, welche Formulierungen Händler bei Lieferzeitangaben vermeiden sollten, um möglichst keine Abmahnungen zu riskieren.
Allgemeines zur Lieferzeitangabe
Onlinehändler sind grundsätzlich nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB verpflichtet, einen Liefertermin gegenüber Verbrauchern (Kunden) zu nennen. Dabei ist auch entscheidend, auf welche Art und Weise die Bestellung dem Kunden zugestellt wird. Handelt es sich um Dienstleistungsverträge, sind insbesondere die Einzelheiten der Leistung relevant und damit auch der Zeitpunkt der Leistungserbringung. Bezüglich der zu versendenden physischen Waren ist dies die Lieferfrist.
Eine korrekte Angabe der Lieferzeit ist sehr bedeutsam, denn sie wird nach § 312 d Abs. 1 S. 2 BGB Bestandteil des geschlossenen Kaufvertrages zwischen dem Onlinehändler und dem Verbraucher (Kunden). Das bedeutet, Händler sind auch verpflichtet, die angegebenen Lieferfristen einzuhalten, da ansonsten mit einem Verstreichen der angegebenen Frist automatisch der Lieferverzug eintritt (siehe dazu auch untenstehende Erläuterung bzgl. verspäteter Lieferung).
Lieferzeiten sollten möglichst in der Form angegeben werden, dass die Kunden daraus klarstellend den Zeitpunkt der Zustellung der Ware ablesen können.
Formulierungsvorschlag: „Lieferzeit: 4 -5 Tage“
Auch sind Lieferzeitangaben mit einer Höchstdauer zulässig z.B.:
„Lieferzeit: max. 5 Tage“
„Lieferzeit bis zu 5 Tage“
Exkurs: Angaben in „Tagen“ oder „Werktagen“
Händler sollten stets auf eine einheitliche Darstellung der Lieferfristen im Onlineshop achten. Mithin entweder Angaben in „Tagen“ oder „Werktagen“ darstellen. Hinsichtlich der Angabe in „Werktagen“ stellt sich aber unweigerlich die Frage, welche Tage dann als „Werktage“ gelten sollen. Aufgrund dessen und unter Berücksichtigung der regional sehr unterschiedlichen Feiertagsregelungen in den einzelnen (Bundes-) Ländern ist eine Angabe einheitlich in „Tagen“ anzuraten.
Diese Formulierungen besser vermeiden
Mittlerweile existieren sehr viele gerichtliche Entscheidungen, welche die Aussagen zur Lieferzeit betreffen. Welche Formulierungen dahingehend vermieden werden sollten habe wir hier zusammengefasst:
„Voraussichtliche“ oder „in der Regel“
Nach der Rechtsprechung sind unverbindliche oder unklare Angaben der Lieferfristen unzulässig, wenn diese nicht mit einem klarstellenden Enddatum versehen sind.
Die Formulierung „voraussichtlich“ in Bezug auf die Lieferfristen wurde als Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot beschieden (vgl. OLG Bremen Urt. v. 05.10.2012, Az. 2 U 49/12), da der Kunde das Fristende weder selbstständig erkennen noch errechnen kann. Der Kunde kann nicht zuverlässig einschätzen, wann die Voraussetzungen der Fälligkeit (und damit die Möglichkeit, den Verkäufer in Verzug zu setzen) gegeben sind.
Die Redewendung „in der Regel“ ist nach der geltenden Rechtsprechung ebenfalls als zu unbestimmt und damit unzulässig beschieden worden (vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 27.7.2011, Az. 6 W 55/11 sowie das KG Berlin Beschl. v. 03.04.2007, Az. 5 W 73/07). Denn „in der Regel“ stellt nur auf den „Normalfall“ ab. Offen bleibt bei Verwendung dieser Formulierung was den Ausnahmefall darstellt, wann eine Ausnahme vorliegt und welche Leistungsfrist in Ausnahmefällen gelten soll.
Lediglich das OLG Hamm (Urteil vom 19.08.2021, Az: 4 U 57/21) hat die Lieferzeitangabe mit „in der Regel“ als zulässige Werbeaussage gewürdigt.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich beim OLG Hamm lediglich um eine Entscheidung für „in der Regel“ handelt, die mehreren ablehnenden Entscheidungen hinsichtlich der Zulässigkeit gegenübersteht, ist es weiterhin empfehlenswert, von dem Zusatz „in der Regel“ abzusehen.
„Sofort versandbereit“ oder „sofort lieferbar
Die Angabe „sofort versandbereit“ oder „sofort lieferbar“ ist nach der aktuell geltenden Rechtsprechung (vgl. LG Aschaffenburg Urt. v. 19.08.2014, Az. 2 HK O 14/14) nicht ausreichend, um der Informationspflicht zur Angabe der Lieferzeit gerecht zu werden.
Denn der Verbraucher (Kunde) muss aus Ihren Lieferzeitangaben stets ableiten können, wann die Ware spätestens bei ihm zugestellt wird, so dass die Postlaufzeit des Paketes nicht bei der Berechnung ausgeklammert werden kann. Auf den Zeitpunkt des Versands der Bestellung kommt es wiederum nicht an.
„Lieferzeit auf Anfrage“
Formulierungen wie „nicht lagernd – Lieferzeit bitte erfragen“ oder vergleichbare Angaben sind unzulässig (vgl. OLG Hamm Urt. v. 17.3.2009, Az. 4 U 167/08). Bei derartigen Aussagen kann der Kunde nicht klarstellend die Lieferzeit ableiten, sondern lediglich die Aussage dahingehend verstehen, dass zwar eine Lieferfrist existiert, diese aber erfragt werden muss. Eine Einschränkung des Angebots diesbezüglich, dass eine Lieferung überhaupt fraglich sei, ist aber nicht automatisch anzunehmen. Eine Irreführung würde nur dann vorliegen, wenn der Onlinehändler nicht sicher auf Vorratsbestände bei sich oder anderen Zulieferfirmen zugreifen kann.
„Artikel ist bald verfügbar“ oder „Aktuell nicht mehr lieferbar“
Die Angabe mit „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar“ genügt nach geltender Rechtsprechung nicht den gesetzlichen Anforderungen für eine zuverlässige Lieferzeitangabe (vgl. OLG München Urt. v. 17.05.2018, Az. 6 U 3815/17). Denn die Formulierung „bald“ sei dabei für einen „Termin“ nach dem Wortsinn der Gesetzesregelung zu unbestimmt, da der Kunde daraus nicht ableiten kann, bis zu welchem Zeitpunkt er spätestens mit einer Lieferung rechnen kann.
Insofern ist es auch irreführend, wenn Händler in Ihren Onlineshops Produkte anbieten / bewerben die nicht (mehr) verfügbar / bestellbar sind. Denn von Onlinehändlern wird aufgrund der zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten erwartet, dass Angebote auf der Online-Präsenz stets aktuell gehalten und entfernt werden können, sobald Artikel nicht mehr lieferbar bzw. nicht mehr vorrätig sind.
Um Missverständnisse dahingehend zu vermeiden, sollten Onlinehändler in derartigen Fällen von aktuell nicht mehr lieferbaren Produkten auch stets technisch im Onlineshop sicherstellen, dass diese nicht in den Warenkorb gelegt werden können. Ergänzend empfiehlt sich in der Praxis außerdem, bei nicht mehr verfügbaren Produkten, die Möglichkeit für die Kunden technisch einzurichten, sich nach Eintragung in einer Kontaktliste, z.B. per E-Mail oder postalisch informieren zu lassen, sobald das betreffende Produkt wieder verfügbar und bestellbar (kaufbar) ist.
Wenn Onlinehändler den Zeitpunkt der Belieferung nicht zuverlässig vorhersagen können und ihnen das unternehmerische Risiko eines Verzögerungsschadens bzgl. der Angabe einer unzutreffenden Lieferzeit zu erheblich ist, können sie auch die Option einer unverbindlichen „Vorbestellung“ anbieten. Bei Produkten, die vorbestellt werden können, empfiehlt es sich, einen konkreten Hinweis anzugeben, wann z.B. der Hersteller die Lieferung konkret avisiert hat, als Prognose.
Wenn angegebene Lieferzeiten nicht eingehalten werden können
Wenn Onlinehändler die angegebene Lieferfrist nicht einhalten, erfüllen sie nicht fristgerecht Ihre vertragliche Pflicht aus dem geschlossenen Kaufvertrag (Erläuterung s.o. unter Allgemeines).
In diesen Fällen könnte der Kunde (Käufer) grundsätzlich Schadensersatz vom Händler (Verkäufer) verlangen und vom bereits geschlossenen Kaufvertrag zurücktreten (vollständige Rückabwicklung des Vertrages). Voraussetzung ist hierfür zunächst, dass sich der Verkäufer im sogenannten „Verzug“ (Lieferverzug) befindet. Allerdings begründet der Umstand allein, dass die Ware, im angegebenen Lieferzeitraum, nicht bei dem Käufer eingetroffen ist, noch kein Rücktrittsrecht und keinen Anspruch auf Schadensersatz.
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären kann:
- Es muss ein wirksam abgeschlossener Kaufvertrag vorliegen.
- Die Leistungserbringung (Lieferung der Ware) war bereits fällig, d. h. der Verkäufer hätte die Ware längst ausliefern müssen = Lieferverzug
- Der Käufer hat dem Verkäufer bereits eine angemessene Frist zur Auslieferung (Nacherfüllung) gesetzt und diese Frist ist erfolglos verstrichen (solch eine Mahnung mit Fristsetzung wäre dann entbehrlich, wenn der Verkäufer z.B. die Auslieferung bereits ernsthaft und endgültig verweigert hat).
- Sofern der Verkäufer lediglich einen Teil der Ware (Bestellung) fristgerecht geliefert hat, kann der Käufer den Rücktritt vom gesamten Kaufvertrag nur erklären, wenn an der Teilleistung kein Interesse besteht.
- Der Käufer kann keinen Rücktritt vom Kaufvertrag erklären, wenn der Grund ganz oder vorwiegend in seine Verantwortung fällt oder wenn er sich im Annahmeverzug befindet. Ein Annahmeverzug liegt dann vor, wenn der Käufer die ihm vereinbarungsgemäß angebotene Ware bei Auslieferung nicht annimmt.
Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein, damit ein Käufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann:
- Es muss ein wirksam abgeschlossener Kaufvertrag vorliegen.
- Die Leistungserbringung (Lieferung der Ware) war bereits fällig, d. h. der Verkäufer hätte die Ware längst ausliefern müssen = Lieferverzug
- Der Käufer hat dem Verkäufer bereits eine angemessene Frist zur Auslieferung (Nacherfüllung) gesetzt und diese Frist ist erfolglos verstrichen (solch eine Mahnung mit Fristsetzung wäre dann entbehrlich, wenn der Verkäufer z.B. die Auslieferung bereits ernsthaft und endgültig verweigert hat).
- Hat der Verkäufer nur eine Teillieferung rechtzeitig erbracht, kann der Käufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn an der Teilleistung kein Interesse besteht.
- Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so hat der Käufer Anspruch auf Schadensersatz, der ihm durch die Nichterfüllung des Kaufvertrages entstanden ist. Hierzu zählen z.B, die Kosten, die dem Käufer dadurch entstanden sind, dass er die Ware endgültig nicht erhalten hat (Kosten für Verzugsschäden sind z.B. Anwaltskosten, die entstanden sind, nachdem der Käufer sich wegen einer erfolglosen Mahnung rechtlichen Rat eingeholt hat).
Im Onlinehandel spielen solche Streitigkeiten in der Konsequenz des Lieferverzuges jedoch in der Praxis eher weniger eine Rolle, da die Mehrheit der Kunden (Käufer) im Hinblick auf eine rasche Lösung Herbeiführung in den meisten Fällen von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Die Erklärung des Widerrufs ist ohne Angabe eines Grundes und grundsätzlich auch bereits vor Erhalt (vor Auslieferung) der Ware möglich (§ 312g Abs. 1 i.Vm. § 355 Abs. 2 BGB). Denn das Widerrufsrecht entsteht bereits durch Abgabe der Vertragserklärung (= Vertragsschluss). Folglich hat die Auslieferung der bestellten Ware auf die Entstehung des Widerrufsrechts des Verbrauchers keinen Einfluss, sondern ist lediglich für den Fristbeginn der gesetzlichen Widerrufsfrist (gemäß § 356 Abs. 2 BGB) maßgeblich. Tatsächlich ist der Verbraucher sogar vor der Aushändigung der bestellten Ware privilegiert, den Widerruf ohne Fristbindung bis zum Warenerhalt erklären zu dürfen.
Ihr Ansprechpartner
Legal Consultant Janine Brauer
Master of Law, LL.M.
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