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Fast alle wesentlichen wirtschaftlichen Betätigungen in Deutschland werden in Form einer Gesellschaft durchgeführt. Die GmbH ist dabei mit knapp 530.000 existierenden Gesellschaften die am häufigsten gewählte Rechtsform für Unternehmen in Deutschland. Im Vergleich dazu firmieren nur ca. 30.000 bis 40.000 Unternehmen in der Rechtsform der OHG oder KG, 140.000 als GmbH & Co. KGs und nur ca. 7.000 Unternehmen als Aktiengesellschaften.
Eine somit immer wieder auftretende und teilweise unbekannte Fallgestaltung ist die sog. Durchgriffshaftung des GmbH-Gesellschafters. Diese ist eine Ausnahme zum Grundsatz der beschränkten Haftung der Gesellschaft und gesetzlich nicht geregelt, sondern maßgeblich durch die Rechtsprechung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte geprägt worden. Den allermeisten GmbH-Gesellschaftern sind die entwickelten Ausnahmetatbestände wenig bekannt. Diese können aber im Schadensfall zu einer persönlichen Haftung des GmbH-Gesellschafters und im Extremfall somit zum finanziellen Ruin führen, da er unter Umständen mit seinem kompletten Privatvermögen haftet.
Aufgrund dieser hohen rechtlichen und praktischen Relevanz soll dieser Beitrag daher einen entsprechenden Überblick über die entwickelten Ausnahmetatbestände liefern und vor (!) einem potentiellen Haftungsfall für bestimmte Konstellationen sensibilisieren.
Grundsatz
Die GmbH haftet für ihre Verbindlichkeiten grundsätzlich beschränkt und „nur“ in Höhe des vorhandenen Gesellschaftsvermögen, was – bekanntermaßen – mindestens EUR 25.000 betragen muss. Ein Gesellschafter der GmbH haftet demnach grundsätzlich gerade nicht persönlich und unbeschränkt. Soweit so gut. Dennoch gibt es von diesem Grundsatz (natürlich) Ausnahmen, die im Ergebnis dann zu einer persönlichen Haftung des GmbH-Gesellschafters führen können. Somit kann eben doch ein persönliches Haftungsrisiko des GmbH-Gesellschafters bestehen.
Die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen zum Grundsatz der beschränkten Haftung eines GmbH-Gesellschafters lassen sich grundsätzlich in drei Fallgruppen einteilen, sind aber in der rechtswissenschaftlichen Literatur durchaus nicht unumstritten.
Existenzvernichtender Eingriff
Nach den Grundsätzen der sog. Existenzvernichtungshaftung kann im Innenverhältnis der Gesellschaft ein Anspruch auf Schadenersatz gegen den vorsätzlich und sittenwidrig handelnden GmbH-Gesellschafter entstehen. Dafür muss dieser die GmbH durch einen betriebsfremden und kompensationslosen Entzug von Vermögen in die Gefahr der Insolvenz bringen. Dies kann beispielsweise durch Tilgung von privaten Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsvermögen der Fall sein oder eine anderweitige Entziehung von Liquidität. Eine andere Konstellation wäre, dass der GmbH-Gesellschafter Waren- bzw. Lagerbestände, Forderungen, Arbeitskräfte oder Vertriebssysteme zu Lasten der Gesellschaft verlagert.
Tritt ein Haftungsfall ein, der zur Insolvenz der Gesellschaft führt, hat diese einen Schadensersatzanspruch. Die Gesellschaft ist dann so zu stellen, wie sie ohne das schadensstiftende Ereignis stünde. Der Anspruch wird vom Insolvenzverwalter der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern geltend gemacht. Eine Pfändung des Titels durch die Gläubiger kann bei Abweisung der Insolvenz mangels Masse möglich sein. Die Gläubiger können dann direkt gegen die Gesellschafter vorgehen.
Die Hürden für die Annahme dieser Fallkonstellation sind in der Rechtsprechung allerdings sehr hoch. Reine Managementfehler oder unternehmerische Entscheidungen von Gesellschaftern begründen noch keine Haftung nach den Grundsätzen der Existenzvernichtung.
Unterkapitalisierung
Die wohl am umstrittenste Fallgruppe der Durchgriffshaftung ist die Fallgruppe der Unterkapitalisierung. Diese sei anzunehmen, wenn die GmbH nicht mit dem zur Betriebsführung nötigen Stammkapital ausgestattet wird. Stark vereinfacht könnte man sagen, je höher der Geschäftsumfang, desto mehr muss an Eigenkapital zur Verfügung stehen. Ist die Gesellschaft aufgrund dieser gestörten Relation nicht mehr kreditfähig, kann eine für den GmbH-Gesellschafter haftungsbegründende Unterkapitalisierung vorliegen. Die entscheidende Frage ist nun, wann ein solches Missverhältnis – sprich eine Unterkapitalisierung – gegeben ist. Der Gesetzgeber gibt nun – richtigerweise – aber keinerlei Vorgaben, wie bzw. in welcher Höhe der GmbH-Gesellschafter seinen individuellen Geschäftsbetrieb zu finanzieren hat, mit Ausnahme von § 5 Abs. 1 GmbHG, welcher normiert, dass das Stammkapital einer GmbH mindestens EUR 25.000 zu betragen hat. Weitgehende Einigkeit besteht zumindest insofern, als dass ein Fall der Unterkapitalisierung vorliegt, wenn die GmbH für den angestrebten Geschäftsbetrieb mit vollkommen unzureichendem Kapital ausgestattet ist, sodass die Relation zwischen Stammkapital und dem mit dem Geschäftsbetrieb verbundenen wirtschaftlichen Risiko als völlig unvertretbar erscheint. Probatestes Mittel, um einer entsprechenden Durchgriffshaftung entgegenzuwirken, ist für den GmbH-Gesellschafter daher stets für einen ausreichenden Eigenkapitalstock zu sorgen, sodass die Situation der Kreditunfähigkeit gar nicht erst eintreten kann.
Treuepflichtverletzung
Die (ungeschriebene) Treuepflicht legt dem GmbH-Gesellschafter das Gebot auf, sich gegenüber der Gesellschaft loyal zu verhalten, ihre Zwecke aktiv zu fördern und Schaden von ihr abzuwenden. Die Schädigung der Gesellschaft durch die Verfolgung von überwiegend eignen Interessen zum Nachteil der Gesellschaft, kann demnach eine Haftung begründen. Selbst für den Fall, dass es nur einen Gesellschafter gibt, kann die Maßnahme eine Haftung begründen, sofern durch diese die Existenz der Gesellschaft gefährdet wird; der Bestandsschutz der Gesellschaft steht somit über einem Haftungsprivileg eines alleinigen GmbH-Gesellschafters.
Resümee
Das gesetzliche Leitbild der GmbH, dass die Haftung auf das Stammkapital der Gesellschaft beschränkt ist und die Gesellschafter vor der persönlichen Haftung geschützt werden, bleibt wohl in den allermeisten Fällen unangetastet.
Allerdings zeigt der vorliegende Beitrag, dass die Durchgriffshaftung nicht nur ein abstraktes Gebilde ist, welches im Wesentlichen durch richterrecht entwickelt wurde, sondern in den dargestellten Ausnahmefällen durchaus eine rechtliche und insbesondere wirtschaftliche Relevanz für den GmbH-Gesellschafter entfalten kann.
Allerdings sind die dargestellten „klassischen“ Fallgruppen der Durchgriffshaftung lediglich als eine Orientierungshilfe anzusehen, da Einzelfragen rechtlich umstritten sind. Daher kommt es bei der Prüfung, ob eine Durchgriffshaftung zu bejahen ist, signifikant auf den jeweiligen Einzelfall und dessen Umstände an.
Diese rechtlich durchaus anspruchsvolle Prüfung und Bewertung können wir selbstverständlich für Sie übernehmen
Im Übrigen können die obigen Ausführungen nahezu vollumfänglich auch analog auf einen Gesellschafter einer UG (haftungsbeschränkt) übertragen werden.
Ihr Ansprechpartner
Florian Lenck
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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